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Die Sportwagen-Legende Toyota GT 2000
Der Mythos lebt
Viele kennen ihn vom Hörensagen, doch wenige haben ihn bislang leibhaftig
gesehen: Den Toyota Gran Tourismo 2000. Das hat sich jetzt geändert. Bei der
Oldtimerrallye »Silvretta Classic Montafon 2001« im österreichischen Vorarlberg
fuhr er vor - zum Jubel vieler Auto-Enthusiasten.
Da ist eine Firma, der ist nichts unmöglich. Und da ist ein Mann, der den
Globus regelmäßig aus den verzweifeltsten Lagen rettet. Was liegt da näher, als
eine Kooperation zwischen Toyota einerseits und James Bond andererseits? So
geschehen im Jahr 1965. Damals wurde ein schlankes, elegantes, aggressiv
röhrendes und verflixt schnelles Auto geschaffen, das den Namen »Gran Tourismo
2000« erhielt. Zwei Jahre später raste es in dem Streifen »Man lebt nur zweimal«
durchs Bild. Es war der GT, in dem Bond seinen Häschern auf den Straßen Tokios
entwischte; die fuhren damals eben die falsche Marke.
Nun ist nicht jedem ein zweites Leben gegeben. Allenfalls dem Agenten mit der
Lizenz zu töten - oder auch seinem Wagen. Bei der Oldtimerrallye »Silvretta
Classic Montafon 2001« im österreichischen Vorarlberg tauchte er nach mehr als
30 Jahren in seiner ganzen Schönheit und Wildheit unvermutet wieder auf. Viele
glaubten ihn längst tot. Freilich: Die Straßenschluchten des Actionfilms hatten
sich in reale Felsabhänge verwandelt, die Wolkenkratzer in das schroffe Panorama
des Silvretta-Gebirges und die Bösewichter in harmlose Konkurrenten um den
Punktsieg. 160 Automobile jagten über Berg und Tal. Und der GT schien in seinem
zweiten Dasein vitaler denn je. An fast jeder Straßenkehre winkten ihm seine
Fans zu. Wie war es nur zu seiner Wiederbelebung gekommen?Tatsache ist: Von den
insgesamt nur 351 produzierten Wagen gelangte in den 60er Jahren zunächst kein
einziger nach Europa. Die Produktion war so etwas wie ein Prestigeprojekt: Es
sollte den hochnäsigen Europäern zeigen, dass Toyota, bis dato mit dem Ruf eines
braven Massenherstellers behaftet, auch Extravagantes gelingt. Als der Beweis
erbracht und in Zelluloid verbreitet worden war, wurde die Herstellung wieder
eingestellt. Ein beiläufiges Bravourstück, eine kleine Provokation - zumal der
Sportwagen nebenbei noch jede Menge Geschwindigkeitsrekorde brach (so brachte es
der GT 2000 etwa 72 Stunden am Stück auf ein Durchschnittstempo von 206 km/h).
Später, in den 80er Jahren, standen dann manche plötzlich in irgendwelchen
schweizerischen und deutschen Garagen.
Comeback nach 30 Jahren: Der Toyota GT 2000 meisterte die Pässe des Silvretta-Gebirges mit Bravour.
Wie sie dorthin gekommen waren? Niemand wusste es so genau. Und als der
Kölner Mutterzentrale von Toyota aus dem Nachlass eines Autohauses der eigenen
Marke ein solch wohlgeformtes Juwel vor drei Jahren in die Hände fiel, wurde es
ins Foyer der Toyota-Kreditbank gestellt. Der Mythos GT 2000 hatte in Europa
Gestalt angenommen - wenn er auch vorläufig noch nicht zu großen Taten aufgelegt
schien. Das änderte sich, als Richard Stolz, Mitarbeiter bei der Zeitschrift
»Motor Klassik« und Organisator der »Silvretta Classic«, ihn bei einem Besuch
erblickte. Eindringlich bat er Verantwortliche von Toyota Deutschland darum, den
Wagen in Stand zu setzen und in Vorarlberg auf die Strecke zu schicken. Sonst
muss Stolz gewöhnlich von 500 Bewerbern jährlich weit mehr als der Hälfte
absagen. In diesem Fall sprach er eine Einladung aus - und in weniger als drei
Monaten wurde der Mythos wieder flott. Und alpentauglich. Andreas Wette, Norbert
Neumann und Marc Arendt, allesamt Techniker im Hause Toyota, reanimierten den
Gran Tourismo. Sie orderten Ersatzteile aus aller Herren Länder und richteten
ihn von Grund auf wieder her. Vor allem die Bremsen und die Achsen machten Mühe:
»In den letzten Wochen war ein 14-Stunden-Tag normal«, erinnert sich Neumann.
Doch das Ergebnis lohnte die harte Arbeit: Der GT 2000 erwachte zu neuem Leben
...
... und zwar in Vorarlberg. Nirgends sind die Alpen schroffer als hier. Die
Augen können sich auf keiner grünen Alm ausruhen, denn die zerklüfteten Massive
steigen beinahe senkrecht in die klare Luft. Mehr als ein Gipfel um den Piz Buin
herum gleicht einem drohend in die Höhe gestreckten Zeigefinger. Und die Ill,
aus dem Ochsentalgletscher stürzend, rauscht dröhnend. Doch die Landschaft um
das Dorf Partenen, von wo die Teilnehmer und Fahrzeuge der Classic Rallye
täglich im Minutenabstand starteten, war nicht nur der malerische Hintergrund
für die glänzenden Nobelkarossen; die ganze Kulisse bedeutete eine echte
Herausforderung für Fahrer und Technik.
Die Kühe auf den Pässen stellten noch das kleinere Problem dar. Manchem
Lenker war es zwar lästig, vor ihnen bremsen zu müssen, wenn sie sich in aller
Gemütsruhe auf den Hochalpenstraßen breit machten, oder am Ende der Etappe
Spuren von Kuhfladen vom Kotflügel schrubben zu müssen. Doch das waren kaum
erwähnenswerte Widrigkeiten, verglichen mit den teilweise 13 Prozent
Steigungen.
Prominente Ausfälle
Insgesamt zwölf Wagen blieben liegen. »Klar«, analysierte Norbert Neumann,
der seinem GT im Technikwagen fürsorglich folgte. »An den heißen Tagen erhitzt
sich das Öl. Und der Fahrtwind bringt auch keine Kühlung, weil es so steil
bergauf geht.« Das vielleicht prominenteste Opfer der Hitze: Einer der
kostbarsten Oldtimer überhaupt, ein blauer Bugatti 35 B aus dem Jahr 1927,
Prototyp der italienischen Gutsherrendroschke. Mit ihm war es leider schon am
ersten Tag aus. Anders der GT 2000. An ihm musste während der vier Tage nicht
einmal eine Schraube nachgezogen werden. »Das liegt aber auch am Doc«, sagte
Norbert Neumann dankbar. »Er behandelt ihn einfach wie ein rohes Ei«. »Der Doc«
- das ist Dr. Dietrich Hartmann, PR-Chef von Toyota Deutschland. Er lenkte den
Wagen durch das Montafon und die angrenzenden Täler. »Erst war mir ja ein
bisschen mulmig, ohne Servolenkung durch die Serpentinen zu jagen. Aber der GT
2000 hat eine unglaublich sichere Straßenlage«, erklärte er nach den
vollbrachten Taten. Ihm als Beifahrer zur Seite: Werkstatt-Chef Andreas Wette.
Von ihm hing viel ab: Das Roadbook mit der genauen Route in der Hand, musste er
den »Doc« über Berg und Tal lotsen. »Erste rechts«, »zweite links« und »mit 60
in die Kurve« - all das sagte Wette frühzeitig an. »Von den Bergen habe ich fast
nichts gesehen, immer nur das bedruckte Papier auf meinen Knien sagt er. Wie
andere Gespanne auch, machten Hartmann und Wette Tempo - und das, obwohl es
eigentlich nicht um Geschwindigkeit, sondern um gleichmäßiges Fahren ging. An
Punkt A einer Wertungsprüfung erhielten die Teams die Uhrzeit mitgeteilt, zu der
sie an Punkt B einzutreffen hatten. Das war immer möglich, ohne zu rasen. Wer
sich sputete, war allerdings im Vorteil. Denn 25 bis 50 Meter vor der
eigentlichen Zeitkontrolle erlaubte es das Reglement, zu warten.
Beispiel: Mussten Hartmann und Wette um 11.23 Uhr in B ankommen, dann durften
sie dort, wenn sie früher eintrafen, bis 11.22 Uhr abwarten. Dann setzten sie
den Toyota GT 2000 langsam in Bewegung und auf der Ziellinie ergab dann jedes
Hundertstel, das sie zu früh oder zu spät dran waren, einen Strafpunkt.
Es kam deshalb sehr viel auf das Zeitgefühl auf den letzten 50 Metern an.
Sicher, mancher schlecht vorbereitete Konkurrent vergaß schon mal, sich bei
einer vorgeschriebenen Durchfahrtskontrolle zu melden, was gleich 1.000
Strafpunkte machte; doch der Normalfall war das nicht.
Wiener Sieger
Drei Tage und 500 Kilometer später treffen sich Organisatoren, Fahrer und
Techniker im Hochjoch-Restaurant auf 1.850 Metern Höhe. Auch das ein exklusives
Vergnügen: Die Zamangbahn war eigens in Bewegung gesetzt worden, um die
Festgesellschaft über die Wolken zu befördern. Der größte Applaus gilt dort oben
freilich dem Siegerpaar, zwei Wiener Ingenieuren. Auf den 500 Kilometern haben
sie mit ihrem roten Fiat Dino 2000 Spider gerade einmal 301 Strafpunkte
gesammelt, das heißt: Die Routiniers haben nur drei Sekunden verloren. Die
Neulinge Hartmann und Wette belegen am Ende Platz 61 mit 1631 Punkten. Doch sie
gehen nicht leer aus. Im Gegenteil: Sie werden mit drei Hundertstel Sekunden
Rückstand auf den Erstplazierten Achte im Rundkurs, belegen Platz zwei in der
Berg-und Platz eins in der Passwertung. Zum Lohn erhalten sie einen Pokal und
von der Konkurrenz herzlichen, warmen Applaus.
Unterdessen geht draußen hinter zerrissenen Wolken die Sonne unter. Während
die Täler des Montafon schon in stockfinstrer Nacht versinken, scheinen die
spitzen Gipfel des Silvretta-Gebirges noch einmal wie angezündet vom Licht. Die
in Fracks und Kostüme gekleidete Versammlung strömt auf die Terrasse, um den
Anblick in vollen Zügen zu genießen. Sie scheint sich zu sagen: Man lebt nur
einmal. Und das stimmt auch. Wenn man nicht gerade James Bond oder GT 2000
heißt. *
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Letzte Aktualisierung am 04.11.2009
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